Der hat aber schöne Tannine! Neben dem Unwort Mineralität gibt es meines Erachtens keinen Begriff in der Weinwelt, der so inflationär gebraucht wird wie Tannin. Dabei wissen viele gar nicht, was es mit diesem entzückenden Stöffchen auf sich hat. Lass uns mal einen Blick hinter die Kulissen werfen: Tannin ist im Grunde genommen nichts anderes als Gerbstoff. Gerbstoff löst in unserem Mund ein austrocknendes, adstringierendes Gefühl aus. Wenn wir uns einmal so eine Traube angucken, dann sehen wir zum einen die Rappen, also das Stielgerüst, und zum anderen die Beeren – hier sitzen die wichtigsten Inhaltsstoffe!
Im Fruchtfleisch befinden sich neben anderen Inhaltsstoffen Zucker, Apfelsäure und Weinsäure. Innerhalb der Beerenhaut finden wir Mineralien, Aromastoffe und Polyphenole. Polyphenole kannst du dir als DIE Mutter aller Pflanzenstoffe vorstellen, die maßgeblich für den Geschmack, die Farbe (aka Anthocyane) sowie für die Tannine verantwortlich ist. Im Fachjargon heißen die Tannine dann aber eigentlich nicht mehr Tannine, sondern gehören zur Gruppe der Flavonoide (aka flavonoide Tannine). Die höchste Konzentration an Flavonoiden finden wir in den Rappen und Kernen sowie in der Beerenschale. Durch die adstringierende Eigenschaft der Flavonoide wird die Haut der Beere nämlich verdichtet. Diese Verdichtung schützt vor Fressfeinden und macht die Schale insbesondere für Vögel schwer verdaulich. Kuriose Überlebenshacks von Mutter Natur.
Die Rebsorte macht den Unterschied
In erster Linie ist es völlig egal, ob wir von Weißwein oder Rotwein sprechen. Jede Rebsorte besitzt Tannine. Die eine mehr, die andere weniger. Tendenziell weisen Rotweinsorten aber eine höhere Konzentration an Gerbstoffen auf. Aufgrund dessen meinen eigentlich alle Rotwein, wenn von Tanninen die Rede ist. Rote Rebsorten, die eine besonders hohe Gerbstoffkonzentration aufweisen, sind z. B. Nebbiolo, Petit Verdot, Tannat, Cabernet Sauvignon oder Touriga Nacional. Rebsorten, die hingegen wenig Gerbstoff mit sich bringen, sind z. B. Spätburgunder, Trollinger, Cinsault oder Frappato. Tannine verleihen dem Wein im besten Fall mehr Struktur, Textur, Komplexität und Ausdrucksstärke. Sie beeinflussen Ausgewogenheit, Stil und die Lagerfähigkeit eines Weins.
Wie kommen die Tannine in den Wein? Durch die Gärung oder einer längeren Standzeit auf der Maische wird nicht nur der Farbstoff aus den Beerenschalen entzogen, auch Aromastoffe und Gerbstoffe (aka Tannine) werden extrahiert und gehen in den Wein über.
Riechen oder schmecken?
Wichtig zu wissen ist, dass wir Tannin weder sehen, riechen noch schmecken können. Tannin löst ein Gefühl aus (aka trigeminale Wahrnehmung, trigeminaler Sinnesreiz). Bei starken und grünen, also unreifen Tanninen bekommen wir einen trockenen Mund und uns bleibt regelrecht die Spucke weg. Reife, weiche und zugleich griffige Tannine lösen wiederum ein wunderbar wohliges Gefühl im Mund aus.
Die Lagerung des Weins im Holzfass oder auf der Flasche kann die Tanninstruktur eines Weins zudem positiv beeinflussen. Und auch mithilfe des Chemiebaukastens kann man ordentlich nachhelfen. Trotz etlicher Möglichkeiten des Finetunings stammt gutes Tannin immer aus dem Weinberg und nie aus dem Keller. Nur aus gesunden und optimal gereiften Trauben entsteht brauchbares Tannin, ist halt leider so. Wenn die Trauben unreif gelesen worden sind, wirkt der daraus extrahierte Gerbstoff nämlich grün, hart, stark punktiert an der Gaumenmitte und bleibt dort lange dominant fühlbar. Da helfen dann auch keine Tricks und Mittelchen mehr.
Gut zu wissen
Ich weiß schon gar nicht mehr, wer es war, aber irgendjemand meinte mal zu mir, dass er von tanninstarken Weinen Kopfschmerzen bekommen würde. Das ist, pardon, totaler Quatsch. Tannin befindet sich übrigens nicht nur im Wein, sondern in fast jeder Pflanze, in Schwarzem Tee, in Grünem Tee, in Gemüse und auch in Obstsorten. Für uns Menschen haben Tannine eine besondere gesundheitsfördernde Wirkung, nämlich eine antioxidative
Eine Antwort
Super informativ und gut geschrieben. Kann man noch echt was lernen.