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Okay, okay, okay – jetzt mal Butter bei die Fische! Was zum Teufel ist Terroir und warum reden in der Weinwelt alle ununterbrochen davon? Der Winzer, der Weinmacher oder die Weinmarketing-Tante wollen dir hiermit lediglich sagen: „Ey, Digger – ich hab hier einen granatengeilen Wein für dich am Start! Der Wein hier ist so krass typisch für unsere Region, heftiger wird’s nimmer. Der Wein spiegelt UNSER Klima, UNSERE Böden, UNSERE Weinbergslage und UNSERE Art Wein zu machen wider. Das ist der Shit, das ist Wein mit Herkunftscharakter.“
Nein, das ist nicht einfach nur blödes Gesabbel. Denk mal nach – original Appenzeller Käse, Lüneburger Heidschnucke, Südtiroler Speck oder von mir aus auch stinknormale Alpenmilch. Warum schmecken die Dinge, wie sie schmecken? Weil die Kuh für den Appenzeller Käse auf einem bestimmten Fleckchen Erde steht, weil sie einem bestimmten Klima ausgesetzt ist und weil sie frisst, was sie schon immer gefressen hat, nämlich heimische Gräser und Wiesenkräuter, die für die Region typisch sind, und weil der Mensch die Milch so verarbeitet, wie er es traditionell schon immer gemacht hat.
Kommen alle diese Faktoren zusammen, dann erhält man ein Produkt mit Typizität, ein Lebensmittel mit Herkunftscharakter oder anders: einen Wein aus einem ganz besonderen Terroir. Einen Wein, der nur von dort so schmeckt, wie er eben schmeckt.
Terroir – ein schöner Gedanke
Das Wort Terroir, um hier mal ein bisschen trockene Theorie rauszuhauen, ist ein Begriff, der in Frankreich geprägt wurde. Frei aus dem Bauch übersetzt heißt das so viel wie „Gegend“ oder „Erde“ (lat. von Terra). Ausgesprochen wird der Zungenbrecher dann in etwa wie „tare WAHr“. Terroir ist als Kreislauf zu verstehen, denn das eine funktioniert ohne das andere nicht. Die 4 Bausteine, aus denen sich Terroir zusammensetzt, sind immer das Klima, der Boden, die Lage und die Tradition bzw. der Mensch.
Terroir ist ein schöner Gedanke – ein Gedanke, für den in unserer heutigen Konsumgesellschaft kaum noch ein Platz ist. Ich will jetzt keinen auf Mimimi machen, aber es ist nun mal so. Denn Terroir bezog sich ursprünglich auf so ziemlich jedes Agrarprodukt, nicht primär auf den Wein. Mit Terroir feiern wir die Vielfalt und kämpfen gegen den industrialisierten Einheitsbrei. Dass ein in Masse und billig produzierter Wein nicht die Region widerspiegeln kann, in der er gewachsen ist – das sollte dir klar sein. Solche Weine sind gemacht, nicht gewachsen.
Terroir – und was es mit dem Wein macht!
Klima
In der Welt des Weins, insbesondere bei Verkostungen, unterscheiden wir das Klima in zwei Arten: kühles Klima (cool climate wines) und warmes Klima (warm climate wines). In diesem Zusammenhang sprechen wir auch gerne von alter Welt und neuer Welt – hier gehen wir demnächst in einem separatem Beitrag genauer drauf ein. Ein Wein aus einem warmen Klima weist tendenziell höhere Zuckerwerte und demnach auch höhere Alkoholwerte auf. Auch veratmet die Säure schneller als in kühleren Gebieten.
⇾ Zum Beispiel: Französischer Chardonnay vs. amerikanischer Chardonnay. Der französische Chardonnay ist säurebetonter, schlanker und hat weniger Umdrehungen als sein amerikanischer Kollege.
Boden
Völlig egal ob Kalk, Lehm, Löss, Sand, Ton, Vulkangestein oder Schiefer – der Boden nährt die Rebe und führt je nach Bodenart zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen im Wein. Wir wissen bis heute nicht genau, wie groß die Auswirkungen auf den Wein sind – fest steht aber, da passiert was ganz Großes! Denn klar ist auch, dass jeder Boden über einen anderen Nährstoffgehalt und über eine andere Wasserspeicherkapazität verfügt und somit die Rebe auf unterschiedlichste Weise „füttert“. Von unterernährt bis übergewichtig – der Boden macht die Musik!
⇾ Zum Beispiel: Riesling, der auf vorwiegend sandigen Böden gewachsen ist, schmeckt in der Regel leicht und aromatisch – fast schon fruchtig! Ein Riesling, der auf Tonböden gewachsen ist, präsentiert sich wesentlich kräftiger und strukturierter im Glas.
Lage
Lage, Lage, Lage! Machen wir uns nichts vor. Ob beim Immobilienkauf oder im Weinbau – die Lage ist entscheidend. Faktoren wie Weinbergshöhe und -neigung, Klima und Fauna beeinflussen die Rebe enorm und führen zu ganz individuellen Weinen (Mesoklima).
⇾ Zum Beispiel: Ein Müller-Thurgau, der auf einer Weinbergslage von über 1.000 Metern und auf kargen Böden wächst, weist eine komplett andere Stilistik auf als ein Müller-Thurgau aus dem gleichen Weingut, der aber in der Talebene und auf stark nährreichen Böden gewachsen ist.
Tradition
Mit Tradition sind Weinbereitungsverfahren gemeint, die schon seit x Jahren angewandt werden, wie es zum Beispiel bei Madeira, Sherry, Portwein oder beim Orange-Wein der Fall ist. Es gibt aber auch Länder, die eine so junge Weingeschichte haben, dass sie streng genommen keine traditionellen Weinbereitungsverfahren nachweisen können. Das ist insbesondere in der „neuen Welt“ der Fall wie z. B. in Neuseeland.
Wenn man es ganz genau nimmt, dann müsste es nicht Tradition heißen, sondern Faktor Mensch. Denn der Mensch nimmt Einfluss auf Geschmack und Charakteristik eines Weins. Wir haben uns im Weinbau und in der Kellerwirtschaft kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert, wir haben Prozesse optimiert, fast schon perfektioniert. Unser Wissen und die immer ausgefeiltere Technik im Bereich Weinbau und Keller verändern den Wein – zum Positiven wie auch zum Negativen! Um am Ende des Tages einen Terroir-Wein, also einen möglichst natürlichen Wein in den Händen zu halten, dessen Herkunftscharakter nicht durch uns Menschen verfälscht wurde, bedarf es beides – Tradition und unseres Wissen von heute!