Bekomme ich von Schwefel im Wein Kopfschmerzen?

Mit diesem Blogartikel möchte ich dir sachliche Informationen zum Thema Schwefel an die Hand geben, denn ich glaube, es gibt kaum ein Thema, um das sich mehr Kuriositäten drehen als um Schwefel. Schwefel, so scheint es, wird für ALLES verantwortlich gemacht. In 99 % der Fälle geht es dir am nächsten Tag aber beschissen, weil du schlicht und ergreifend zu viel gesoffen hast. Zeit aufzuräumen:


Was ist Schwefeldioxid und wofür wird es eingesetzt?

Im Grunde genommen ist Schwefeldioxid, auch Sulfit, Sulfate oder kurz SO2 genannt, nichts weiter als ein Konservierungsstoff und Antioxidationsmittel. Schwefel kommt in der Industrie in zahlreichen Lebensmitteln, z. B. Trockenobst, Marmelade, Wurstwaren etc., zum Einsatz. Er schützt die in den Verkehr gebrachten Speisen und Getränke nachhaltig vor Bakterien und Hefen und garantiert somit die mikrobiologische Stabilität. Die „Konservierung“ mittels Schwefel wird seit der Antike praktiziert. Schwefel ist nicht nur wichtig für die Weinhygiene. Schwefel bindet auch Gärungnebenprodukte ab, wodurch Fehlaromen aka. Weinfehler verhindert werden können.


Welche Arten von Schwefel gibt es im Wein?

Wir unterscheiden zwischen natürlichem Schwefel, der bereits während der Gärung entsteht, und zugesetztem Schwefel. Die Menge an SO2, also Schwefeldioxid, welche nachträglich zur Konservierung beziehungsweise als Oxidationsschutz vom Winzer zugesetzt wird, ist durch Höchstgrenzen reguliert und bildet die gesetzliche Bemessungsgrundlage für eine entsprechende Kennzeichnungspflicht. Das heißt im Umkehrschluss: Enthält ein Wein mehr als 10 mg SO2 /Liter (egal ob aus der Gärung entstandener oder zugesetzter Schwefel), muss der Zusatz „enthält Sulfite“ auf dem Etikett angegeben werden. Nur wenn ein Wein weniger als 10 mg SO2 /Liter enthält, egalgilt er als schwefelfrei und darf ohne Hinweis etikettiert werden.

Gut zu wissen: für Weine aus ökologischer oder biodynamischer Produktion gelten geringere Grenzwerte.


Gibt es schwefelfreien Wein?

Die Antwort lautet ganz klar: Nein. Bereits während der Gärung entsteht auf natürliche Weise Schwefel. Es gibt lediglich Weine ohne zugesetzten Schwefel.

Ausnahme: Es gibt Entschwefelungsanlagen. Hier kann man den Wein durchjagen et voilà – Wein ohne Schwefel. Kann man machen, ist für den „normalen Wein“ aber einfach keine gängige Praxis, sondern wird hauptsächlich bei der Entschwefelung von Süßreserven eingesetzt. Ob das so das schonendste Verfahren ist, sei auch einfach mal dahingestellt …


Gibt es Weine, die mehr Schwefel enthalten als andere?

Die sogenannten Schwefelfresser sind Weine, die eine starke Schwefelung benötigen, um verkehrssicher gemacht zu werden. Das sind z. B. Weine bei denen schlechtes, mitunter faules Lesegut verarbeitet worden ist. Auch Weine, die einen überdurchschnittlich hohen Gehalt an Zucker aufweisen, wie z. B. Beerenauslesen oder Trockenbeerenauslesen, müssen stärker geschwefelt werden. Da Weißwein wesentlich schneller Gefahr läuft zu oxidieren, kann man durchaus sagen, dass Rotwein weniger Schwefel benötigt als Weißwein.


Gibt es Winzer, die ihre Weine nicht schwefeln?

Schwefel ist wichtig für die Weinhygiene und sollte keinesfalls verteufelt werden. Denn ganz ohne Schwefel geht es einfach nicht – beziehungsweise ja, geht schon, aber nur, wenn das Lesegut astrein ist. Ich mein wirklich komplett gesund und die Hygiene im Keller stimmt. Nicht zu 99,9 %, sondern zu 100 % – und wer kann das schon garantieren? Wer nicht schwefelt, muss meines Erachtens auch die volle Verantwortung übernehmen für das, was er da abfüllt. Ein kompletter Verzicht auf Schwefel kann Mikroorganismen auf den Plan rufen, die im schlimmsten Fall Toxine (Giftstoffe) wie biogene Amine (Histamin, Phenyläthylamin) produzieren und die akute Beschwerden von allergischen Reaktionen bis Leberversagen verursachen können. Es gibt Winzer, die es schaffen, schwefelarme Weine zu produzieren, und mitunter gibt es auch Winzer, die auf eine Schwefelung gänzlich verzichten können – das sind aber auch die, die es drauf haben. Vom Weinbergsmanagement bis in den Keller – das ist Handwerkskunst und leider nicht allgegenwärtig. Die Devise sollte lauten: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Weniger Extreme auf beiden Seiten, mehr gesundes Mittelmaß mit Hirn und Verstand.


Wirkt sich Schwefel auf den Geschmack des Weins aus?

Richtig dosiert ist Schwefel weder riech- noch schmeckbar. Schwefel wirkt reduktiv. Das heißt, verwende ich zu viel Schwefel, wirkt der Wein in sich verschlossen. Er riecht nach Schwefel (frisch abgebrannte Streichhölzer), lässt kaum andere Aromen hervortreten und wirkt wie maskiert. Das passiert oft nach der Füllung der Weine (füllkrank) und legt sich in der Regel nach einigen Wochen auf der Flasche. Übertreibt man es gänzlich mit der Schwefelung, kann der Wein nachhaltig hart, rau und sauer schmecken.


Wirkt sich Schwefel auf mein Wohlbefinden aus?

Nein. In der Regel ist ein übermäßiger Alkoholkonsum und ein Mangel an nichtalkoholischer Flüssigkeit für dein „Ich-fühl-mich-scheiße-Gefühl“ sowie rote, juckende Augen verantwortlich. Die Deklarierung „enthält Sulfite“ oder „geschwefelt“ wurde zugunsten der Asthmatiker eingeführt, die ca. 10 % der Gesamtbevölkerung ausmachen. Sie können auf Sulfit (Sulfit-Asthma) mit Atemwegsbeschwerden reagieren. Ich will nicht sagen, dass eine Reaktion auf Schwefel unmöglich ist, zumal ich selbst Asthmatikerin bin. Die Chance, dass du aufgrund von Schwefel Kopfschmerzen bekommst – ohne dir die Hoffnung nehmen zu wollen – tendiert allerdings gegen null. Mein Tipp: weniger saufen und mehr Wasser trinken.

#bringflavorhome

Grapes & Love

Deine Lou

Über die Autorin

Louisa Maria Schmidt (aka Lou) schreibt auf ihrem Blog über Wein und erklärt in Kurzvideos auf Instagram, auf was es bei Wein wirklich ankommt. In der Gastronomie groß geworden, studierte sie Internationale Weinwirtschaft an der Hochschule Geisenheim. Heute arbeitet sie als Wine Consultant und Content Creatorin für PR-Agenturen, Online- und Printmagazine sowie Weingüter.

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