Wein und Essen im Tessin: 5 Insider-Tipps für Genießer

Gepuderte Berggipfel, kristallklare Bergseen, fotogene Kühe und jede Menge Käse – das sind die ersten Bilder, die uns in den Sinn kommen, wenn wir an unsere geliebte Schweiz denken. Doch der kleine Kanton Tessin, der auch als „Ticino“ bekannt ist, beweist, dass unser naturverbundenes Nachbarland noch eine ganz andere, äußerst verlockende Seite hat. Denn in der „Sonnenstube des Landes“, die mehr oder weniger von der Landesgrenze Italiens umarmt wird, gehen Schweizer Traditionen und das italienische Lebensgefühl buchstäblich auf Kuschelkurs. An den Uferpromenaden des Lago Maggiore und des Lago di Lugano kann man unter Zypressen und Palmen entspannen, sich einen Vino gönnen oder ein Gelato im Strandbad genießen, während man die friedlich vorbeischippernden Bötchen beobachtet. Malerische Gassen mit dem Blick auf schneebedeckte Gletscher laden zum Flanieren und Verweilen ein. Das Tessin aber hat weitaus mehr zu bieten als Postkartenmotive: eine lebhafte Weinkultur und eine vorzügliche traditionelle Tessiner Küche. Im nachfolgenden Artikel habe ich dir 5 Insider-Tipps für Wein und Essen in der italienischen Schweiz zusammengefasst. Aber zuerst, wie könnte es anders sein, ein bisschen Schweizer Weinkunde:


Das Weinanbauland Schweiz 

Die kleinstrukturierte Schweiz mit einer Gesamtrebfläche von knapp 15.000 Hektar, dem Anbau von über 250 verschiedenen Rebsorten und unterschiedlichsten Klimata auf kleinstem Raum gehört zweifelsohne zu den facettenreichsten Weinanbauländern der Welt. Verrückt – wenn man bedenkt, dass der Schweizer Weinbau gerade einmal 0,2 % der weltweiten Weinproduktion ausmacht. Dabei werden etwa 15 % der gesamten Rebflächen der Schweiz ökologisch zertifiziert bewirtschaftet. Insgesamt gibt es in der Schweiz 26 Kantone, und in jedem wird Wein angebaut. Im Grunde genommen aber ist immer von 6 Hauptanbauregionen die Rede: Wallis, Waadt, Deutschschweiz, Genf, Tessin und das Drei-Seen-Land. 


Weinbau im Tessin

Das Tessin ist landschaftlich wie auch klimatisch stark durch die gewaltigen Wassermassen des Langensees (aka Lago Maggiore) und des Luganersees (aka Lago di Lugano) geprägt. Mit schnuckeligen 1.100 Hektar Rebfläche gehört das Tessin bereits mit zu den „größeren“ Weinanbaugebieten der Schweiz und verzeichnet seit einigen Jahren auch das größte Flächenwachstum. 

Die Reben wachsen hier in sehr kleinen Parzellen an den Ufern der Seen, in der Talebene und in sehr steilen und teilweise schwer zugänglichen Weinbergsterrassen. Dank des durch maritime Einflüsse geprägten Klimas ist die Region wie geschaffen für Merlot. Die rote Rebsorte, die ihren Ursprung in Frankreich hat, macht schätzungsweise 80 % der Gesamtrebfläche des Tessins aus. Gerade einmal 10 % davon entfallen auf Weißwein. Dabei gehören die weißen Rebsorten Chardonnay und Sauvignon Blanc mit Abstand zu den wichtigsten. 

Bevor Merlot im Tessin verstärkt kultiviert wurde, war es die heimische Rebsorte Bondola, die den Tessiner Weinanbau dominierte. Zum Schutz der Rebsorte, die nicht einmal mehr 1,5 % der Rebfläche für sich beansprucht, wurde sie von Slow Food ins Programm aufgenommen. Aus Bondola entstehen rustikale und zugleich saftige Rotweine, die wie gemacht sind für eine klassische Tessiner-Apero-Platte mit Wurst und Käse der Region. Solltest du dich für Weine aus der Rebsorte interessieren, statte unbedingt den Weingütern Chiericati Vini, La Segrisola, Azienda Mondò, Pian Marnino oder Terreni alla Maggia, die sich allesamt für den Schutz der Rebsorte einsetzen, einen Besuch ab. 

Hättest du es gewusst? 90% der Gesamtrebfläche des Tessins entfällt auf die rote Rebsorte Merlot.
Egal ob Weiß-, Rosé- oder Rotwein – die Tessiner:innen lieben es, ihre Weine im Barrique auszubauen.


Gut zu wissen

Bei der Bestellung eines Glases Merlot im Restaurant wirst du übrigens immer gefragt, ob weiß oder rot. Eine weitere Spezialität des Tessins ist nämlich der Bianco di Merlot oder einfach nur Merlot Bianco. Hierbei handelt es sich um einen weißgekelterten Merlot. Ein Weißwein also aus blauen Trauben (aka Blanc de Noirs), der zumeist mittels der Direktpressung hergestellt wird. Mit seinem unverschämt saftig-würzigen und erfrischenden Geschmack sorgt er in der von Rotwein dominierten Region für Abwechslung im Glas und ist bei den Schweizer:innen nicht nur zum Essen, sondern auch als Aperitif sehr beliebt

Tessin Tipp Nr. 1 – Mit dem Fahrrad durch die Weinberge

Eine der wohl schönsten Möglichkeiten, die Weinberge der Region zu erkunden, ist auf dem Drahtesel. Starte deinen Tag mit einer Bike & Wine Tour durch die ganz im Süden gelegene Region Mendrisio (aka Mendrisiotto). Mendrisio beansprucht rund 45 % der Gesamtrebfläche des Tessins und gilt damit zurecht als der Wein-Hotspot schlechthin. Das abgeschottete Tessin auf der Alpensüdseite war früher bitterarm und galt lange Zeit als das „Armenhaus der Schweiz“. Die meisten Winzer:innen bauten Wein lediglich zwischen den Häusern für die Selbstversorgung oder vereinzelt im Nebenerwerb an. Die Trauben wurden dann an die örtliche Kellereigenossenschaft verkauft. Die Popularität des Tessins nahm in den 70er Jahren mit den Tourist:innen, die allesamt auf der Suche nach dem Dolce Vita und mediterranem Klima waren, schlagartig zu. Das Land wurde teurer und auch die Nachfrage nach Wein aus dem Tessin stieg an, die Strukturen aber blieben klein. Heute tummeln sich im Mendrisio ca. 40 eingeständig geführte Weingüter, deren Betriebsgröße nicht selten unter der 2-Hektar-Marke liegt. Die 5 Kilometer lange Fahrradtour, die eine Initiative von Mendrisiotto Terroir in Zusammenarbeit mit den Weingütern Borgovecchio und Fumagalli ist, startet für gewöhnlich in Salorino, führt bergab durch die malerischen Weinberge, vorbei an Zypressen, Olivenbäumen und üppigen Rosmarinsträuchern bis zum Castel San Pietro und nach Coldrerio. Während der Tour, die ungefähr 5 Stunden in Anspruch nimmt, besuchst du mindestens 3 Weingüter, probierst reichlich Wein und schnabulierst lokale Leckereien.

Adresse: Mendrisotto Terroir, Via Sottobisio 5, Ch-6828, mendrisottotourismo.ch

Tessin Tipp Nr. 2 – Fratelli Matasci

Das seit 1921 geführte Familienunternehmen Fratelli Matasci wird von 250 Winzer:innen mit Trauben beliefert. Der Fokus, wie könnte es anders sein, liegt auf der Rebsorte Merlot. Historisch bedingt war das Tessin schon immer eine durch Kellereigenossenschaften geprägte Region. Zu klein waren die Parzellen der hier ansässigen Winzer:innen, als dass sich die eigenständige Vermarktung in Anbetracht der Lohnkosten rentiert hätte. Die Mehrheit der Parzellen liegt nämlich in steilen Hängen, sodass eine Mechanisierung der Anlagen kaum möglich ist. Das wiederum erklärt, warum ein Großteil aller Trauben auch ausschließlich mit der Hand gelesen werden kann. Die etwas mehr als 1.000 Hektar Gesamtrebfläche des Tessins werden bis heute von ca. 3.000 Familien bewirtschaftet. Schätzungsweise 90 % der gesamten Trauben werden wiederum an die Kellereien verkauft.  Eine Führung mit anschließender Verkostung im Hause Matasci macht nicht nur sehr viel Spaß, sondern hilft dir auch, die Besonderheiten und Strukturen des Weinanbaugebiets Tessin besser zu verstehen. Wie groß der Zusammenhalt der Tessiner Winzer:innen untereinander ist, beweist auch die angeschlossene Gebietsvinothek „Caveau Ticino“, in der du über 300 Weine der 70 besten Weingüter des Tessins findest. 

Adresse: Fratelli Matasci, Via Verbano 6, CH-6598 Tenero-Contra, matasc-vini.ch

Tessin Tipp Nr. 3 – Besuch einer traditionellen Grotto 

Ob kalte Wurstplatte, schlotziges Risotto mit Zincarlin-Käse, Luganighetta mit Zwiebelsauce oder Brasato al Merlot mit Polenta – Tessiner Spezialitäten genießt man am besten „like a local“ in einem Tessiner Grotto. Ursprünglich handelte es sich bei den Grotti um Höhlen oder handgebaute Gebäude aus Naturstein, die in den Hügeln oder Bergen des Tessins lagen. Aufgrund des kühlen Klimas funktionierten die Grotti wie natürlich betriebene Kühlschränke, in denen Wein, Käse und Wurstwaren gelagert wurden. Und wo allerlei Köstlichkeiten gelagert werden, da zieht es selbstverständlich auch Menschen hin. Bereits früher wurde in den kühlen Räumen, geschützt vor dem mediterranen Klima, gegessen, getrunken und gelacht. Irgendwann gesellten sich zu den kalten Platten auch warme Gerichte, gekocht aus den Zutaten der Region. Später entstanden aus einigen der Grotti wunderbar rustikale und zugleich gemütliche Gasthäuser, in denen die Tessiner:innen bis heute ein und aus gehen. Zu einer der besten und traditionellsten Grotti in schönster Umgebung gehört meiner Meinung nach die Crotto dei Tigli in Balerna. Wenn du ein etwas „schickeres“ Grotto suchst, dann wirst du bei Da Enzo im kleinen Dörfchen Tegna nicht nur fündig, sondern auch den schönen Garten und das gepflegte Ambiente in ruhiger Umgebung lieben. Gehobene Tessiner Küche und gute Weinkarte.

Adresse: Crotto dei Tigli, Viale Attilio Tarchini 53, CH-6828 Balerna, grottodeitigli.ch

Tessin Tipp nr. 4 – Olivenbaumweg 

Wenn du nach Risotto, Luganighetta  & Co. Lust auf eine kleine Verdauungs-Wanderung hast, dann solltest du dir den Olivenbaumweg (aka Sentiero dell’olivo) zwischen Gandria und Castagnola in keinem Fall entgehen lassen. Vorbei an etlichen Olivenbäumen und entlang des Ufers des Luganer Sees hast du einen unvergleichlich schönen Blick auf Gandria – dem wohl meistfotografierten Fischerdörfchen in dieser Region. Besonders chillig und immer noch ein echter Geheimtipp ist der Lido San Domenico unweit des Olivenbaumwegs in Castagnola. Ob eine frisch gezapfte Hopfenkaltschale, ein erfrischendes Gläschen Bianco di Merlot oder auf einen Sprung ins kühle Nass – hier lässt es sich nach der 7 Kilometer langen „Wanderung“ besonders gut aushalten.

Adresse: Lido San Domenico, Sentiero di Gandria 12, CH-6976 Castagnola

Tessin Tipp Nr.5 – Flamel – Mixology Bar & Bistrot

Ich muss ehrlicherweise gestehen, dass ich nicht so die Cocktail-Schnute bin. Wenn du jetzt innerlich mit den Worten „Yep, fühle ich!“ aufschreist, dann musst du der Mixology Bar Flamel im Herzen des Städtchens Lugano unbedingt einen Besuch abstatten. Dass Cocktails auch anders gehen und sensationelle Essensbegleiter sein können, durfte ich nämlich spätestens hier lernen. Der Clou: wenig Alkohol und sehr wenig Zucker. 90 % der Zutaten stammen übrigens aus der Schweiz oder aus dem eigenen Anbau von der Dachterrasse. Und da „wennschon, dennschon“ genau mein Motto ist, habe ich natürlich das „Tasting Menü“ mit begleitenden Cocktails gewählt. Was soll ich sagen? Es war einfach nur sensationell. Und auch die alkoholfreien Cocktails, die hier gezaubert werden, fand ich ausgesprochen gut. Das Ambiente ist mir persönlich zu düster, aber auch das ist ja bekanntlich Geschmacksache. 

Adresse: FLAMEL Bistrot & Mixoloy Lounge, Piazza Cioccarono 5, CH-6900 Lugano, Flamellugano.com 

 

Weiter Tipps & Adressen

 

Art Hotel Riposo

Mit kunstvoll eingerichteten Gästezimmern, sehr gutem Essen und einen zum Seufzen schönen  Blick von der Dachterrasse auf den Lago di Maggiore punktet das Art Hotel Riposo in Ascona, das erst kürzlich zum „Swiss Hotel of the Year 2023“ gekürt wurde.

Adresse: Art Hotel Risponso, Scalinata della Ruga 4, CH-6612 Ascona, hotelrisponso.ch

 

Conca Bella Boutique Hotel & Wine

Mit etwas rustikaler eingerichteten, aber nicht weniger komfortablen Zimmern wartet das Weinhotel Conca Bella in Vacallo auf. Das Hotel punktet nicht nur mit einem sehr guten Menü mit begleitenden Weinen und der wunderschönen Piazetta, auf der sich an lauen Sommerabenden herrlich Aperitivo schlürfen lässt, sondern auch mit der angeschlossenen Vinothek und der Selbstbedienungs-Weinbar im zweiten Stock des Hotels. 

Adresse: Conca Bella Boutique Hotel & Wine, Via Concabella 2, CH-6833 Vacallo, concabella.de

*Anzeige I Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Schweiz Tourismus.

#bringflavorhome

Grapes & Love

Deine Lou

Über die Autorin

Louisa Maria Schmidt (aka Lou) schreibt auf ihrem Blog über Wein und erklärt in Kurzvideos auf Instagram, auf was es bei Wein wirklich ankommt. In der Gastronomie groß geworden, studierte sie Internationale Weinwirtschaft an der Hochschule Geisenheim. Heute arbeitet sie als Wine Consultant und Content Creatorin für PR-Agenturen, Online- und Printmagazine sowie Weingüter.

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